Tashi Tsering, der Tibeter, der im August vergangenen Jahres als Zeichen des Protestes vor dem Potala Palast eine chinesische Flagge herunterholte, starb am 10. Februar in der Polizeihaft, nachdem er sich die Jugularvene mit einer Rasierklinge durchschnitten hatte. Seine Frau Lhadron wurde aus Verdacht der Konspiration mit ihrem Mann ebenfalls festgenommen. Sowohl das chinesische als auch das tibetische Wachpersonal wurde vernommen, um herauszufinden, wie Tashi Tsering zu der Rasierklinge kam. Tashi Tsering, ein Bauunternehmer aus Lhasa, versuchte schon bei seiner Protestbekundung Selbstmord zu begehen, aber es gelang ihm nicht, vor der Festnahme den primitiven Sprengstoff, den er sich um den Leib gebunden hatte, zur Zündung zu bringen. Er wurde so schwer von dem Sicherheitspersonal geschlagen, daß er, als er abgeführt wurde, nicht mehr gehen konnte.
Die neueste Information zeigt, daß die Berichte über Tashi Tserings Tod vom letzten Oktober nicht zutrafen und daß sein Protest am 26. August, drei Tage nach dem Ende der Nationalen Minoritäten-Wettkämpfe in Lhasa erfolgte. Die Sicherheitsvorkehrungen waren besonders streng während dieser Spiele, die im Vorfeld zu den Feierlichkeiten zur Begehung des Jahrestages der Gründung der PRC (People's Republic of China) am 1. Oktober die nationale Einheit Chinas demonstrieren sollten. Tashi Tsering wurde festgehalten, als er dabei war, die chinesische Fahne auf dem Potala Platz herunterzureißen und sie durch die verbotene tibetische Flagge zu ersetzen. Im Oktober 1999 wurde er unter Anklage gestellt. Nach verschiedenen mißlungenen Selbstmordversuchen brachte er sich schließlich am 10. Februar um. Seine Frau Lhadron, die unmittelbar nach der Verhaftung ihres Mannes zur Ermittlung festgehalten wurde, wurde der Konspiration mit ihrem Mann und der Mithilfe bei dem Protest beschuldigt und befindet sich immer noch in Haft. Ob auch noch andere Verwandte Tashi Tserings, die ebenfalls zur Vernehmung festgenommen wurden, in Haft sind, ist nicht bekannt.
Tashi Tsering aus der Präfektur Lhoka in der TAR (Tibet Autonomous Region) kam ursprünglich nach Lhasa, um als Zimmermann Arbeit zu suchen und wurde dann Bauunternehmer. Von seiner Ortsgemeinde wurde er für ein gemeinnütziges Werk, das er aus eigener Tasche zahlte, ausgezeichnet: Für eine Grundschule neben dem Sera Kloster baute er neue Klassenzimmer und beschaffte die Schulmöbel. Er hinterläßt zwei Kinder, von denen eines behindert ist.
Berichte von Augenzeugen bei Tashi Tserings Verhaftung am 26. August vergangenen Jahres lassen schließen, daß er von 4-5 Sicherheitspolizisten festgenommen und so schwer geschlagen wurde, daß er einen Armbruch erlitt. Sein Kopf wurde gegen die Rückwand des Fahrzeuges geschmettert. Der Verkehrspolizist, der Tashi Tsering zuerst ergriff, wurde offiziell für seinen "Beitrag zur öffentlichen Sicherheit" von der Regierung gelobt.
Am 21. Oktober 1999 berichtete Xinhua, daß Xu Mingyang, Stellv. Vorsitzender der TAR, Berichte von Ausländern, der Mann, der den Sprengsatz zu zünden versuchte, sei in einem örtlichen Gefängnis umgebracht worden, dementiert hat: "Der Verbrecher, ein Bauer aus den Vororten Lhasas, der Regionalhauptstadt, lebt noch, er hat all seine kriminellen Taten zugegeben und zeigt Bereitschaft, sich zu bessern". Xinhua erwähnte nichts über Tashi Tserings körperliche Verfassung, noch ob bereits ein Urteil über ihn gesprochen wurde. Wegen der Natur seines Protestes zu einem politisch brisanten Zeitpunkt wäre Tashi Tserings Strafe bestimmt sehr hart ausgefallen. Ob seine 34 Jahre alte Frau Lhadron verurteilt wurde, ist ebenso wenig bekannt wie ihr derzeitiger Zustand in der Gefangenschaft.